von Christian Schaffner, Wien, 07. März 2012

Als Spezialist für Frequenzzählungen bewegt man sich des Öfteren auf gefährlichem Terrain. Wenige Daten werden in Städten so heiß diskutiert wie die Frage, wie viele Menschen wann wohin gehen und was man darüber in der Öffentlichkeit sagt. Dem Stadtmarketing wird bei ungünstigen Frequenzwerten von der Politik, der Presse oder von aufgebrachten EinzelhändlerInnen gern der Schwarze Peter zugeschoben. Als Ausweg versuchen sich manche Organisationen im Vertuschen der Tatsachen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass ein offener und ehrlicher Umgang mit den Daten auch seine Vorteile bringt.

Es kann eigentlich gar nicht verwundern, dass so mancher mit einem Seufzer antwortet, wenn die Rede auf Frequenzzahlen kommt. Obwohl von diesem Wort inflationär Gebrauch gemacht wird, sind die Zahlen oft gar nicht bekannt. Entweder berufen sich die Verantwortlichen auf ihre eigenen Alltagsbeobachtungen, oder man „weiß ohnehin, dass die Zahlen schlecht sind“. Studien, die Licht ins Dunkel bringen könnten werden selten gemacht.

Vielfältige Erhebungsqualitäten

Es ist ein grundlegendes aber ungelöstes Problem, dass es keine einheitlichen Standards für Frequenzzählungen gibt. Einig ist man sich nur darüber, dass mit Frequenzen vorbeigehende Personen gemeint sind. Aber zählt man alle oder ist nur das kaufkräftige Publikum gemeint, sodass man eine Altersgrenze einziehen muss?

Werden beide Gehrichtungen zusammengerechnet oder müssen etwa Bedienstete und Lieferanten ausgeschieden werden? Diese und weitere Details werden je nach Erhebung unterschiedlich gehandhabt. Ganz offensichtlich wird dieses Manko, sobald man die Ergebnisse verschiedener Studien vergleichen will. Eine DIN – Norm für Zählungen wird es wohl nie geben und die angewandten Methoden der einzelnen Marktforschungsunternehmen werden von diesen auch nicht im Detail veröffentlicht.

Eine weitere wichtige Frage betrifft die Reliabilität, also den Zeitraum, ab dem Erhebungen zuverlässig sind. Ob nationale Städterankings, die auf Zählungen im Ausmaß von einer oder zwei Stunden besonders viel taugen, sei dahingestellt. Die Medien verbreiten diese Ergebnisse meist ohne fachliche Interpretation dankbar weiter, es gibt schließlich keine anderen Vergleiche.

Technik wird noch selten eingesetzt

Vergleiche sind schon bei manuell durchgeführten Zählungen schwierig. Will man aber verschiedene technische Zählsysteme miteinander vergleichen, fällt schnell auf, dass auch dabei Probleme auftreten können. Die Technik muss zuerst auf den Standort geeicht werden. Manche Technologien, wie die Beam Technologie neigen zu Unterzählungen (Lichtschranken), andere wiederum (Videozählungen) können je nach Standort zu viele oder zu wenige Personen registrieren, während die technisch zuverlässigsten Systeme (Laser) den meisten AuftraggeberInnen zu aufwändig sind und dementsprechend selten zum Einsatz kommen. Um die einwandfreie Funktion sicher zu stellen, müssen die Zählergebnisse der Anlagen zumindest einmal einem Stresstest unterzogen werden. Oft wird von den Anlagen erwartet, dass sie auf Anhieb fehlerfrei funktionieren. Doch tatsächlich sind ausreichend Zeit und das entsprechende Know-How für die Kalibrierung der Anlagen erforderlich.

Bei automatischen Zählungen muss man als Stadtmarketingverantwortlicher mit gewissen Abstrichen leben. Wie bei anderen technischen Systemen muss eine gewisse Fehlertoleranz gegeben sein, die aber gerade bei Frequenzzählungen nicht gern zur Kenntnis genommen wird. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die Funktion von Frequenzanlagen auf vielfältige Weise gestört werden kann: Wind und Wetter machen ihnen zu schaffen und wie mit einer Nabelschnur sind sie mit einem Computer verkabelt und an eine Datenleitung angebunden. Ohne fachgerechtes Service kann das Werk aus dem Takt kommen und falsch zählen.

Don´t shoot the messenger

Unabhängig davon, von wem und wie die Frequenzzahlen erhoben wurden, die Reaktionen auf das Ergebnis hängen davon ab, welche Grundeinstellung der Rezipient zu den Daten hat. Anders gesagt: Die Zahlen werden so genutzt, damit sie die eigene Argumentationslinie unterstützen. Das verleitet dazu, die Schlussfolgerung nicht aufgrund einer sorgfältigen Analyse der vorhandenen Daten abzuleiten, sondern die Zahlen werden an die bereits vorgefasste Meinung angepasst. So wird bei positiver Sichtweise beispielsweise nur die Steigerung gegenüber dem Vorjahr betont, auch wenn der langfristige Trend negativ ist. In jeder Erhebung lassen sich neben unerfreulichen Daten auch positive Fakten entdecken – und umgekehrt.Umso wichtiger für die Glaubwürdigkeit ist es, dass ein ausgewogener Gesamteindruck vermittelt wird.
Besonders kritisch sind Städte bei Erhebungen, die sie nicht selbst in Auftrag gegeben haben oder wenn die Ergebnisse negativ ausfallen. In diesen Fällen wird die „Schuld“ gern bei den Beratungsfirmen gesucht. Der Vorwurf der Parteinahme kann rasch laut werden und die Seriosität der Messungen angezweifelt werden.

Dabei sollte man sich vor Augen halten, dass Frequenzrückgänge eher die Regel sind. Wie die Datenlage zeigt, sind innerstädtische Frequenzen tendenziell rückläufig und ein ausgewiesener Frequenzverlust könnte zum Anlass genommen werden, durch neue Initiativen Impulse für eine Weiterentwicklung der Stadt zu setzen.

Wie mit heiklen Zahlen umgehen?

In Beratungsgesprächen werde ich oft gefragt, wer denn nun Zugriff auf die Daten haben soll. Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Dass der Auftraggeber nie die Kontrolle über die Zahlen aus der Hand gibt, versteht sich von selbst. Über eine beschränkte Dateneinsicht kann man nachdenken, wenn man sich als Servicebetrieb für die Mitgliedsbetriebe versteht. Vielerorts wird das Stadtmarketing schließlich auch von diesen bezahlt und personell getragen. Ist ein grundsätzliches Vertrauensverhältnis gegeben, spricht nichts dagegen, den zahlenden Mitgliedern die Einsicht zu gewähren. Hier sollte man sich aber bewusst sein, dass diese Daten gerne auch der Presse zugespielt werden. Je besser das Verhältnis zu den lokalen Medien, desto offener kann der Umgang mit den Zahlen gestaltet werden. Wie wir bereits festgestellt haben, lassen sich aus der besten Frequenzerhebung mit etwas Geschick auch negative Trends heraussuchen, die, isoliert betrachtet, auch die beste Innenstadt in einem schlechten Licht dastehen lassen.

Auf jeden Fall hat es sich bewährt, wenn die Ergebnisse von Frequenzmessungen im Rahmen einer kommentierten Jahresbilanz publiziert und damit allgemein zur Verfügung gestellt werden.

Offenheit verschafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen

Unabhängig davon, ob man die Daten völlig freigeben möchte, eine ausgewogene Information der Öffentlichkeit erachten wir als besonders gewinnbringend. Wer nimmt noch die wiederholten Jubelmeldungen von Veranstaltern ernst, die immer höhere BesucherInnenzahlen angeben oder die Pressemeldung eines Bürgermeisters, der sich schon am Vortag über die hohe Frequenz bei der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums freut?

Bei der Präsentation der Frequenzzahlen raten wir dazu, die positiven Aspekte in den Vordergrund zu stellen, aber auch offen Kritikpunkte anzusprechen. Das schafft Glaubwürdigkeit und baut Vertrauen auf. Verbindet man die aufgezeigten Stärken und Schwächen noch mit den bereits durchgeführten Aktionen und stellt das kommende Jahresprogramm als Maßnahmenpaket zur Behebung von Problemen vor, können sich die Stadtmarketingverantwortlichen als gut für die Zukunft gerüstet präsentieren.