von Christian Schaffner, Wien, 19. Februar 2013

Eisenstadt hat eine lange Tradition bei der Messung von Fußgängerfrequenzen und verfügt neben Wien vermutlich über eine der am besten dokumentierten Messreihen in Österreich. Eine gute Gelegenheit, die langjährigen Veränderungen von Frequenzen anhand dieses praktischen Beispiels zu beleuchten.

Anders als der Name suggeriert, haben weder der Bergbau noch die Verarbeitung von Erzen in Eisenstadt Tradition. Der Name leitet sich vom Begriff stark bzw. eysern ab. Diese Zuschreibung lässt erkennen, dass Eisenstadt, das bereits 1388 das Stadtrecht erhielt, schon Jahrhunderte eine wichtige Bedeutung in der Region hat. Aufgrund der Verkehrslage und der Vorrangstellung von Wien kam Eisenstadt ab Mitte des 19. Jahrhundert während der industriellen Revolution ins Hintertreffen und fand sich durch die beiden Weltkriege und die geopolitische Lage an den Rand gedrängt. Wirtschaftlich zählt das Burgenland, dessen Hauptstadt Eisenstadt im Jahr 1925 wurde, zu den schwächeren Regionen Österreichs, konnte aber von der Öffnung der Grenzen und dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union profitieren. Besonders im touristischen Bereich bietet sich Entwicklungspotenzial.

Beginn der Messungen im Jahr 2000

Die erste dokumentierte Frequenzmessung fand im Oktober 2000 statt. Damals war die Handelslandschaft in Eisenstadt noch einfach strukturiert. Neben der Innenstadt gab es kein großes Angebot an  Handelsflächen. Die erste Messung der Wochenfrequenz ergab zu diesem Zeitpunkt einen Wert von 55.000 PassantInnen. Bei etwa 11.000 EinwohnerInnen durchaus beeindruckend. Als Landeshauptstadt fallen Eisenstadt eine Vielzahl von Arbeitsplätzen bei Behörden und Verwaltung zu. Die überdurchschnittlich hochwertigen Arbeitsplätze führen dabei zu guten Beschäftigungsmöglichkeiten und höherer Kaufkraft. Auch wenn die Angestellten nicht notwendigerweise in Eisenstadt wohnen und einkaufen, durch den Arbeitsplatz entsteht eine besondere Verbindung, die zumindest gelegentlich auch zum Besuch der Innenstadt veranlasst. Die Ausgangslage war dementsprechend attraktiv. Das Mietniveau befand sich damals bei etwa 21 € / m², was nicht nur doppelt so hoch war, wie in der nächstfolgenden burgenländischen Stadt, sondern auch dem Mietniveau von Klagenfurt oder Bregenz entsprach. Zusammengefasst, im Verhältnis zur Größe der Stadt befand sich Eisenstadt in einem äußerst positiven wirtschaftlichen Umfeld.

Eintritt ins Einkaufszentrumszeitalter

Die ruhigen Zeiten für die Innenstadt von Eisenstadt neigten sich mit 2004 dem Ende zu. Zwar wurde die Frequenz bis 2003 noch auf den Rekordwert von über 58.000 Wochenfrequenz gesteigert, aber dieser Wert sollte bis dato nie wieder erreicht werden. Was war passiert? Eisenstadt hatte jenes Gespenst heimgesucht, das bereits durch den gesamten deutschsprachigen Raum geisterte und eine Stadt nach der anderen umgekrempelt hatte. Die erfolgreichen Einkaufszentren und Retail Parks hatten sich europaweit Stück um Stück eine beachtliche Kaufkraft erarbeitet. Durch die Umweltfaktoren von höherer Kaufkraft, hoher Frequenz, touristischer Attraktivität und fehlender Konkurrenz im näheren Umfeld bot sich Eisenstadt trotz der geringen Wohnbevölkerung als Standort für zumindest ein kleineres Einkaufszentrum an. Mit Baubeginn des EZE Eisenstadt im Jahr 2003 und dem Einzug großer Mieter im Jahr 2004 wurde die Innenstadt auf eine erste Probe gestellt. Bereits im ersten Jahr des Betriebs sank die Frequenz in der Innenstadt am besten Punkt um fast 30%. Ein Schlag ins Gesicht jener, die zuvor die Zugkraft von Einkaufszentren bezweifelten und ein Weckruf für alle, die noch immer an die Unantastbarkeit von Tradition glaubten. Veränderungen der Frequenz im zweistelligen Prozentbereich sind ungewöhnlich. Ein Rückgang eines funktionierenden Standortes um fast ein Drittel ist ein mehr als alarmierendes Signal. Man hatte die Entwicklung moderner Handelstypen in Eisenstadt verschlafen.

Parallel dazu verlor der Standort Innenstadt stark an wirtschaftlicher Zugkraft. Bisher lukrierte Mieten wurden unrealistisch und die erzielbaren Preise für neue Mieten fielen im Jahr 2004 auf den Tiefststand von 15,5 € / m². Dies war ein Rückgang um 25%. Damit zeigt sich, wie eine starke Abnahme der Frequenz auch einen raschen Rückgang der Mieten und damit des gesamten Immobilienwerts erzeugt.

Trotz der sinkenden Mieten konnten massive Leerstände in dieser Zeit nicht verhindert werden.

Eisenstadt auf dem Boden der Tatsachen

Wer annimmt, in Eisenstadt wäre daraufhin ein Kulturkampf Innenstadt vs. Einkaufszentrum ausgebrochen, der irrt. Seitens des Stadtmarketings war man stets bemüht, eine gemeinsame Linie zu finden, die den gesamten Standort vermarktet. Gemeinsame Aktionen werden durchgeführt und Eisenstadt wird als Einkaufsdestination in der Umgebung promotet. Das Einkaufszentrum EZE ist Mitglied des Stadtmarketings. Der Kaufkraftabfluss in das 30 Minuten entfernte Wiener Neustadt war zu spürbar und der Kaufkraftkuchen nicht groß genug für stetige Streitereien und einen ruinösen Preiskampf.

Eisenstadt war nun mit der innerstädtischen Frequenz dort angekommen, welche aufgrund der Einwohnerzahl zu erwarten war. Die Frequenz lag nun beim Dreifachen der Wohnbevölkerung. Obwohl dies immer noch einen guten Wert bedeutet, nimmt er sich im Vergleich zu den früheren Zahlen mit über fünffachen Werten deutlich bescheidener aus.

In den folgenden Jahren nach der Ansiedlung des Einkaufszentrums entstanden entlang der Zufahrtsstraßen auch immer mehr Fachmärkte. Ein Prozess, der immer weiter fortgeführt wurde und im Jahr 2011 mit der Eröffnung des Haidäcker Parks (13.600 Quadratmeter) einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.

Eisenstadt in der Neuzeit

Die Eröffnung des Retail Parks Haidäcker Park fand bei der Frequenzzählung sofort seinen Niederschlag. Binnen Jahresfrist fiel die Wochenfrequenz am besten Punkt der Hauptstraße von 40.000 auf 34.000 (-15%). Im Vergleich zur Eröffnung des EZE Einkaufszentrums sieben Jahre zuvor war die Auswirkung auf die Innenstadt aber bereits deutlich geringer (damals verlor man 30%). Da Eisenstadt bereits mit einigen Flächen der Bautypen Einkaufszentrum und Retail Park ausgestattet war, hatte der Haidäcker Park, mit Interspar als Ankermieter, deutlich weniger Frequenz aus der Innenstadt abgezogen. Die Mieten für Geschäftslokale hatten sich bis 2010 ebenfalls erholt und waren wieder etwas über dem Niveau von 2001. Die Innenstadt hatte den Angriff der peripheren Flächen abgewehrt, musste aber auch deutlich Federn lassen.

Im Heute

Im Oktober 2012 lag die innerstädtische Frequenz bei über 37.000 pro Woche. Die Mieten waren mit 21,8 € / m² wieder auf dem Höchstwert (ohne Berücksichtigung der Inflation), im Vergleich zum allgemeinen Anstieg der Immobilienpreise waren Geschäftsimmobilien in der Innenstadt allerdings kein Gewinn, da sich in derselben Zeit die Quadratmeterpreise für Grundstücke für Betriebsansiedlungen fast verdoppelt haben! Eisenstadt hat damit eine ausreichende innerstädtische Frequenz für einen breiten Branchenmix.

Was man aus Frequenzzählungen alles lernen kann

Frequenzzählungen können im Verlauf der Jahre viele Details über eine Stadt verraten. Wichtige Entdeckungen werden aber nur im Vergleich mit anderen Standorten gemacht. Die Zahlen für sich geben nur wenig Auskunft und müssen mit der Erfahrung vieler Erhebungen in den richtigen Kontext gesetzt werden.

In den folgenden Abschnitten sollen einige Punkte angeführt werden, die bei der Beurteilung von Frequenzen von Bedeutung sind.

Frequenzzahlen sind – entgegen der landläufigen Meinung – grundsätzlich sehr stabil. Sofern bei Zählungen ganze Wochen betrachtet werden, sind die Wettereinflüsse über den Beobachtungszeitraum relativ gering. In Extremwettersituationen bewegen sich die Schwankungen normalerweise im einstelligen Prozentbereich. Starke Brüche in den Werten deuten daher auf Veränderungen im Umfeld der Zähllinien hin und sind selten zufällige Schwankungen.

Im Fall von Eisenstadt zeigt sich deutlich, wie stark der Einschnitt durch die Inbetriebnahme des EZE – Einkaufszentrums im Jahr 2003 war. Nur selten können Brüche so eindeutig einer Ursache zugeordnet werden. Die danach folgenden Frequenzrückgänge erfolgten schleichend. Aktuell konnte die sinkende Tendenz sogar gestoppt werden.

Die Verteilung der Frequenz auf die Tagesstunden

Der Grund, Zählungen über einen längeren Zeitraum zu betreiben, liegt nicht nur darin, Wettereinflüsse auszuschließen, sondern auch an der Erfassung der Frequenz zu unterschiedlichen Tagesstunden. Werden die Daten über den gesamten Tag lückenlos durchgeführt, werden auffällige Muster erkennbar. Die frühen Morgenstunden zeigen beispielsweise, wie stark die urbane bzw. ländliche Prägung an einem Standort ist. Mit einer hohen Frequenz am Morgen weist Eisenstadt eine ländliche Prägung auf, was aber für die Einwohnerzahl durchaus üblich ist.

Zwar besitzt Eisenstadt einen Wochenmarkt, dieser ist jedoch weder für die hohe Morgenfrequenz noch für die generelle Überbetonung des Vormittages verantwortlich. Der Markt hat den Zahlen entsprechend ohnehin fast keine Frequenzwirkung.

Die Frequenz in den Mittagsstunden ist ein weiterer Indikator, wie attraktiv eine Stadt ist. Je stärker sich der Rückgang in dieser Zeit bemerkbar macht, desto schwächer sind Branchenmix und Gastronomie. Eisenstadt schneidet hierbei aber deutlich besser als der Durchschnitt ab.

Die Frequenz am Nachmittag ist immer ein Ausdruck der Branchenmixstärke. Steigt die Frequenz am Nachmittag über jene des Vormittags, werden junge Käuferschichten angesprochen. Dies steht auch in direktem Zusammenhang mit dem Frequenzabfall zwischen 17 und 19 Uhr. In Eisenstadt ist die Frequenz für längere Öffnungszeiten am Abend nicht gegeben, die Frage hinsichtlich einer Verlängerung am Abend ist somit eine strategische.

Sollte bei der bisherigen Beleuchtung der Frequenzdaten von Eisenstadt der Eindruck entstanden sein, dass man sich hier mit einem Sorgenkind beschäftigt, relativiert der Blick auf die Vergleichsstädte gleicher Einwohnerzahl dieses Bild. Eisenstadt steht trotz der verlorenen Frequenz bei weitem besser da, als dies bei der Bevölkerungsgröße zu erwarten wäre. Der Standort ist weiterhin stark.

Im Vergleich zu kleineren Städten zeichnet sich die Frequenz in Städten über 50.000 EinwohnerInnen durch eine niedrige Frühfrequenz aus, welche in der ersten Stunde bei etwa 30% der Tageshöchstfrequenz liegt. Danach kommt es zu einem kontinuierlichen Anstieg bis 17 Uhr. Erst danach fallen die Werte wieder.

Die Einkaufsgewohnheiten der EinwohnerInnen dieser Städte unterscheiden sich von jenen kleinerer Städte, haben aber eine Trendfunktion und sollten daher auch von kleineren Städten als Vorbild gesehen werden.

Am Wochenende sollte es aufwärts gehen

Bei neutralen Wetterverhältnissen liegt die Frequenz in Eisenstadt an allen Tagen über dem Vergleichswert ähnlicher Städte. Am größten ist der Unterschied am Samstag.
Der gute Wert am Samstag ergibt sich aus der Anziehungskraft im Einzugsbereich. Auch wenn der Branchenmix in Eisenstadt nicht jener einer Großstadt ist, gibt es im direkten Umfeld keine höherrangigen Einkaufsstätten. Zusätzlich kommen am Wochenende verstärkt Tagestouristen nach Eisenstadt.

Öffnungszeiten und Passantfrequenzen stehen in einer engen Wechselwirkung

Die Geschäfte öffnen, wenn KundInnen in der Stadt sind. KundInnen kommen in die Stadt, wenn sie wissen, dass die Geschäfte geöffnet sind. Probleme ergeben sich, wenn die KundInnenwünsche und die Öffnungszeiten nicht übereinstimmen. Treten dann Einkaufsstätten, die erweiterte Öffnungszeiten bieten, in einen Konkurrenzkampf, so ergibt sich damit ein Handlungsbedarf für die Innenstadt.

Früher hatten die Geschäfte traditionell über Mittag und ab 18 Uhr geschlossen. Deshalb haben sich zu diesen Zeiten auch nie PassantInnen in größerer Zahl in der Stadt befunden. Nun haben sich aber die Arbeitszeiten und Bedürfnisse der KundInnen geändert. Die Berufstätigen beginnen morgens später mit der Arbeit und arbeiten dafür am Abend länger. Sie hätten gerne die Möglichkeit, länger einkaufen zu gehen, die derzeitigen Öffnungszeiten lassen das aber nicht zu.

Folgende Fragen stellen sich hinsichtlich einer Veränderung der Öffnungszeiten:

  • Wie verändert sich die Frequenz, wenn die Öffnungszeiten geändert werden?
  • Wie lange dauert es, bis die neuen Öffnungszeiten genutzt werden?
  • Bringen längere Öffnungszeiten nur eine Umverteilung des Umsatzes?

Die Öffnungszeiten in den frühen Morgenstunden sind getrennt für den täglichen Bedarf und die Gebrauchsgüter zu bewerten. Der Lebensmittel- und der Drogeriehandel werden weiterhin frühe Öffnungszeiten benötigen, weil diese von den KundInnen gewünscht werden (kurze Aufenthaltsdauer in den Geschäften). In vielen anderen Branchen reichen Öffnungszeiten ab 10 Uhr aber aus. Vor 10 Uhr kommen eher die älteren KundInnen und jene, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Das sind aber genau jene KundInnenschichten, die geänderte Öffnungszeiten am leichtesten mitmachen können, da ihr Tagesablauf nicht von fixen Arbeitszeiten bestimmt ist. Berufstätige können ihre Einkäufe nicht flexibel verschieben, sondern müssen sie an die Arbeitszeiten anpassen. Kleidung oder Schuhe können um 9 Uhr von berufstätigen Menschen meist nicht eingekauft werden, da diese Zeit direkt in die Kernarbeitszeit fällt. Der volle Betrieb ist somit erst ab 10 Uhr notwendig und die frühen Morgenstunden sollten zu Gunsten der wichtigeren Öffnungszeiten zu Mittag gekürzt werden.

In Eisenstadt wäre es empfehlenswert, die Öffnungszeiten zwischen 8 und 10 Uhr zugunsten der Stunden zwischen 12 und 14 Uhr aufzugeben. Für die Zeit nach 18 Uhr ist die Entscheidung eine strategische. Kann es sich eine Landeshauptstadt heute noch leisten, ihre Geschäftsaktivitäten bereits um 18 Uhr einzustellen? Durch diese frühe Schließung der Geschäfte wird Frequenz an die Einkaufszentren abgegeben, die mindestens bis 18.30 Uhr geöffnet haben. Der Effekt wird bereits ab 17 Uhr bemerkbar. Einkäufe, für die etwas mehr Zeit benötigt wird, werden dann gar nicht mehr in Einkaufsstätten in Angriff genommen, die am Abend bereits früh schließen.

Der Samstag hat eine Sonderstellung. In den Nachmittagsstunden bis 17 Uhr ist die Hauptstraße stärker frequentiert als zwischen 8 und 10 Uhr. Die Geschäfte dort um 12 Uhr zu schließen ist daher aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Es sollten daher Öffnungszeiten von 10 bis 17 Uhr ins Auge gefasst werden.

Signale

Aus den Frequenzzahlen lassen sich Warnsignale herausarbeiten, die anhand der Wochenfrequenz jene Problemfelder benennen, die für die mittelfristige Arbeit vorrangig behandelt werden sollten. In Eisenstadt handelt es sich dabei um die Überbetonung des Vormittages. Da sich dahinter meist ein zu schwacher Branchenmix versteckt, sollten die Aktivitäten des Stadtmarketings hauptsächlich in diese Richtung gesteuert werden

Veröffentlichung der Daten mit freundlicher Genehmigung des Stadtmarketing Eisenstadt. http://www.alleliebeneisenstadt.at/